Montag, 29. August 2011

Große Hokusai-Retrospektive in Berlin

Die große Welle vor der Küste bei Kanagawa © Sumida City
Wer sich auch nur einigermaßen ernsthaft für Japan interessiert, sollte sich bis zum 24. Oktober auf den - zum Glück nicht besonders weiten - Weg in den Berliner Martin-Gropius-Bau machen. Dort ist in einer groß angelegten Werkschau zum ersten Mal in Deutschland ein umfassender Überblick über alle Schaffensperioden mit mehr als vierhundert Arbeiten zu sehen. Und auch wer sich bereits gut mit den Arbeiten dieses von 1760 bis 1849 lebenden Ausnahme-Künstlers auskennt, dem wird nicht nur ein Wiedersehen mit vielen weltberühmten Originalen Freude bereiten, sondern selbst Hokusai-Kenner werden in dieser Ausstellung noch neue Entdeckungen machen können.

Den Ausstellungsmachern scheint es aber neben einer repräsentativen Werkschau vor allem darum gegangen zu sein, dem Publikum ein Verstehen und ein Eintauchen in das vielseitige künstlerische Universum Hokusais zu ermöglichen. Gleich zu Beginn der Ausstellung erklärt so eine große Wandgrafik die Orte des damaligen Japan, die durch Hokusais Illustrationen der Nachwelt auch heute noch ein Begriff sind.

Grundsätzlich geht die Ausstellung chronologisch vor und jeder Abteilung geht ein kurzer erklärender Text zur Periodisierung des Werks voran. Die Einteilung der Arbeiten orientiert sich dabei an den wechselnden Künstlernamen, die Hokusai im Laufe seines mehr als sieben Jahrzehnte andauernden Schaffens verwendete. Es sind überraschenderweise nicht allein die faszinierenden Arbeiten selbst, die die Betrachter bewegen, sondern die Ausstellung fesselt ebenso durch den gelungenen Versuch, den Zuschauern einen gründlichen Einblick in die Entstehungsgeschichte und mehr noch die genaue Entstehungsweise der Arbeiten zu geben.

Daher werden beispielsweise nicht einfach seltene Druckstöcke der Holzschnitte präsentiert, gleichzeitig lernen die Besucher bei dieser Gelegenheit Erstdrucke von Nachdrucken zu unterscheiden und erfahren so quasi nebenbei viel über die beeindruckenden handwerklichen Fertigkeiten, die zur Herstellung der Holzschnitte notwendig waren. Ein Dokumentarfilm über die Herstellung eines Holzschnitts rundet diese interessanten Informationen gelungen ab.
Die Halle Sazaidô des Tempels Gohyaku-rakanji © Katsushika Hokusai Museum of Art
Fast schon ungläubig möchte man die Vielseitigkeit Hokusais zur Kenntnis nehmen. Neben dem Farbholzschnitt der „vergänglichen“ bzw. „fließenden Welt“, dem er als einer der wichtigsten Künstler seiner Zeit zu einem künstlerischen Höhepunkt verhalf, schuf er unter einem seiner über 30 Pseudonyme ebenso über eintausend Romanillustrationen, zahllose Landschaftsbilder, Porträts, Tuschezeichnungen, Rollbilder, bemalte Fächer, zeichnete Sammelkarten mit Stadtansichten, überbordende Landkarten aus der Vogelperspektive, illustrierte kleine Heftchen, die man aus heutiger Perspektive wohl als Comic-Bücher betrachten könnte und hinterließ mit seinen eigenen „Manga“ eine Vielzahl von Skizzenbüchern, die in ihrer unglaublichen Vielfalt Anleitungen enthalten sollten zum Zeichnen von so gut wie allem - Pflanzen, Menschen, Tiere, vom Allgemeinsten bis zum Speziellsten, darunter sogar detaillierte Bewegungsabläufe von Kampfkünsten und Tänzen. Ein überwältigender, nie langweiliger, schier unerschöpflicher Kosmos.
Das Wesen vermitteln und das Malen lernen – allerlei Skizzen von Hokusai, Band 6
Besondere Freude wird jüngeren Besuchern die Tatsache bereiten, dass Hokusai sich nicht zu schade war, sogar Vorlagen für Bastelbögen zu entwerfen - vom Badehaus bis zur berühmten Schlacht mit allem Drum und Dran. Da juckt es selbst Erwachsenen glatt in den Fingern, die Bögen auszuschneiden, zu basteln und mit den kleinen Samurai eine Schlacht nachzuspielen, denn Hokusai hielt die Bewegungen der Schwertkämpfer mitunter so dynamisch fest, dass man einfach staunen muss. Zum Glück haben sich die Ausstellungsmacher schon die Mühe gemacht, ein Badehaus aus den Bastelbögen Hokusais liebevoll zu basteln und mit passender Beleuchtung wie ein Puppenhaus in Szene zu setzen - ein unterhaltsamer Augenschmaus für groß und klein, der Hokusais unbestechliches Auge für die inneren und äußeren Eigenheiten der Menschen sogar bei solch einem „banalen“ Gegenstand erkennen lässt.     

Spannend auch zu sehen, wie sich westliche künstlerische Einflüsse in seinem Werk niederschlugen, die Synthese zwischen europäischen und asiatischen Elementen erst zum besonderen Zauber seiner Arbeiten führte, er aber immer wieder auch bewußt zur japanischen Tradition und den von ihm offenbar ebenso geschätzten chinesischen Einflüssen zurückkehrte.

Hier haben die Besucher der Ausstellung endlich einmal Gelegenheit, nach Herzenslust den Details nachzustöbern, die Hokusais Arbeiten so großzügig vor dem Auge ausbreiten. Einige seiner Arbeiten wurden digitalisiert und an zwei großen Bildschirmen können die Besucher virtuell durch die illustrierten Bücher Hokusais „blättern“. Hier bieten sich vor allem für den Hokusai-Kenner interessante neue Ansichten und immer wieder Überraschungen: Hier malte in einer Art Comic-Buch Hokusai ein explodierendes Gebäude in einem „action-geladenen“ Stil, wie wir es aus heutigen Manga-Büchern kennen, dort sehen wir auf einem Rollbild eine mönchsartige Gestalt mit einer merkwürdigen Gerätschaft auf ihrer Schulter und erfahren, dass es sich um einen Verkäufer von Teebesen handelt.

Hokusai erzählt in seinen Bildern nicht nur von Prinzen, Feldherrn, Schauspielern, Kurtisanen und bedeutenden Vertretern des Buddhismus. Er schwelgt in seinen Bildern mit der gleichen Begeisterung immer wieder auch im vermeintlich Alltäglichen und Unbedeutenden. Und es sind diese Ausschnitte aus dem Alltag in der ganz eigenen Linienführung und Farbgebung Hokusais, die eine vergangene Zeit in der Phantasie der Besucher wieder zum Leben erwecken, emotional nachvollziehbar machen, denn die über Jahrzehnte ausgefeilte Ästhetik Hokusais wirkt auf das innere Erleben der Betrachter lebendiger als jede Fotografie. Und betrachtet man dann noch eine unfertig wirkende Tuschezeichnung, die nichts von ihrer Frische verloren zu haben scheint, dann stellt sich für einen kurzen, magischen Moment das Gefühl ein, dem alten Meister direkt über die Schulter zu sehen...

Also: Nicht verpassen!

(Und wir wollen als gute Hanseaten die Hoffnung nicht aufgeben, dass eine derartige Ausstellung vielleicht auch einmal in der schönsten Stadt der Welt möglich sein könnte... und fahren bis dahin nach Berlin.)

Brief von Hokusai mit Selbstportrait im Alter von 83 Jahren © Museum Volkenkunde, Leiden

Adresse: Niederkirchnerstr. 7, 10963 Berlin (Nähe Potsdamer Platz)
Öffnungszeiten: Dienstags geschlossen, Mittwochs bis Montags 10 - 20 Uhr
Eintritt: Bis 16 Jahre kostenlos! Ansonsten Erwachsene 9 Euro / 6 Euro ermäßigt
Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog.

Tickets und weitere Informationen: www.gropiusbau.de

Unsere besondere Empfehlung:
Vorführung japanischer Drucktechniken am Samstag, 03. September und Sonntag, 04. September, jeweils 11 und 17 Uhr.



(Alle Abbildungen auf dieser Seite mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle des Martin-Gropius-Baus.)

Donnerstag, 25. August 2011

Importierte japanische Lebensmittel frei von Radioaktivität?

Wie  Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks mitteilte, ergaben  Kontrollen im Hamburger Hafen, dass japanische Lebensmittel keine erhöhte Radioaktivität aufwiesen - "Bisher waren die Messergebnisse alle unauffällig und lagen weit unter den zugelassenen Höchstwerten", so die Senatorin gegenüber den Presseagenturen.

Die gemessenen Werte lagen nahezu  immer unter den Nachweisgrenzen, in  jedem Fall jedoch unter den mittlerweile zugelassenen Höchstwerten - von Mai bis Anfang August 2011 wurden insgesamt 65 Proben untersucht, darunter Tee, Sojaprodukte, Nudeln und Pilze:

Der bisher höchste Strahlenwert von 4,8 Becquerel pro Kilogramm Cäsium-137 wurde für Shiitakepilze gemessen . Seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima gelten für  Lebensmittel aus Japan verschärfte EU-Grenzwerte . Zudem wurden die Kontrollen laut Angaben staatlicher Stellen erhöht .

Zu den aktuellen Grenzwerten gibt es allerdings auch sehr kritische Stimmen von Experten zu hören, so beispielsweise der Tschernobyl-erfahrene Strahlenbiologe  Edmund Lengfelder. Ein lesenswertes Interview mit ihm gibt es hier .